Wie in der letzten Woche beschrieben, ist die Apolipoprotein-Variante E4 (ApoE4) der wichtigste Risikofaktor für die Entstehung des Morbus Alzheimer. Im Gehirn wird ApoE hauptsächlich von Astrozyten produziert und dient als wichtiger Bindungspartner von Lipiden, um die synaptische Integrität aufrechtzuerhalten und die Reparatur von Verletzungen zu ermöglichen. In alternden und degenerierenden Nervenzellen kommt es aber auch vor.
Eine Studie von Blanchard und Kollegen, die kürzlich in Nature publiziert wurde, bringt nun ApoE4 mit einer fehlerhaften Cholesterinverarbeitung in Verbindung. Als wesentlicher Baustein der lipidhaltigen Zellmembran entstehen dadurch Defekte in den Isolierhüllen der Nervenfasern, den Myelinscheiden. Sie sind für die schnelle elektrische Aktivität zwischen Nervenzellen erforderlich. Störungen im Cholesterin-Stoffwechsel können daher zu Gedächtnis- und Lerndefiziten führen. Wie die Gruppenleiterin Li-Huei Tsai vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge berichtet, verursacht ApoE4 in den Markscheiden bildenden Gliazellen, den Oligodendrozyten, eine Anreicherung von Cholesterin an der falschen Stelle und interferiert dadurch mit der Myelinsynthese.
Am Beginn ihrer Arbeiten analysierten die Autoren der Arbeit zunächst die Muster der Genaktivität in Gewebeproben aus dem präfrontalen Kortex (einem wichtigen kognitiven Zentrum im Gehirn) und legten Zellkulturen von menschlichen Oligodendrozyten mit verschiedenen Formen des ApoE-Gens an. Zellen mit der ApoE4-Variante neigen dazu, Cholesterin in zellulären Organellen zu horten und nicht in die Myelinhüllen zu transportieren.
Interessanterweise konnte eine Behandlung der Zellen mit dem Medikament Cyclodextrin, das den Cholesterinabbau anregt, die Myelinbildung wieder normalisieren. Bei Mäusen mit zwei ApoE4-Kopien verbesserte Cyclodextrin den Cholesterin-Transport in die Myelinscheiden hinein und steigerte dadurch die kognitiven Leistungen der Tiere. Für den Menschen ist Cyclodextrin allerdings nicht geeignet, da es den Zellen zuviel Cholesterin entzieht.
In einer weiteren in diesem Zusammenhang relevanten Studie konnten Liu und Kollegen in Nature Neuroscience zeigen, dass periphere ApoE-Isoformen, die eigentlich nicht durch die Blut-Hirn-Schranke in das Gehirn gelangen, einen Einfluss auf die Pathogenese der Alzheimer-Krankheit haben. Sie untersuchten Mäuse, die menschliches ApoE3 oder ApoE4 in der Leber herstellen, aber kein ApoE im Gehirn. Interessanterweise beeinträchtigte auch das periphere ApoE4 die synaptische Plastizität und die Kognition.
Durch Erstellung von Eiweiß-Profilen aus dem Blutplasma konnten sie nachweisen, dass in Abhängigkeit von der jeweiligen ApoE-Isoform die Zelladhäsion, der Lipoprotein-Stoffwechsel und die Komplementaktivierung verändert sind. ApoE3-Plasma von jungen Mäusen verbesserte die kognitiven Fähigkeiten und verringerte die gefäßassoziierte Gliose, wenn es älteren Mäusen transfundiert wurde, wohingegen ApoE4 die positiven Auswirkungen juvenilen Plasmas verhinderte. Schließlich verschlechtert peripheres ApoE4 die Amyloid-Pathologie im Gehirn, während ApoE3 sie eher verbessert.
Zusammengenommen unterstreichen die vorliegenden Ergebnisse eine pathogene Wirkung von ApoE4 und liefern die Grundlage für eine Behandlung der Alzheimer-Krankheit durch gezielte Interferenz nicht nur mit zentralem, sondern auch mit peripherem ApoE4.
Referenzen:
Blanchard JW, Akay LA, Davila-Velderrain J, … , Tsai LH (2022) ApoE4 impairs myelination via cholesterol dysregulation in oligodendrocytes. Nature 611:769
Liu CC, Zhao J, Fu Y, Inoue Y, … , Bu G (2022) Peripheral ApoE4 enhances Alzheimer’s pathology and impairs cognition by compromising cerebrovascular function. Nature Neuroscience 25:1020
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