Vorläuferzellen können nach einem Querschnitt in das Rückenmark transplantiert werden, um die Ansteuerung denervierter Motoneurone zu ermöglichen. Neuronale Stammzellen bilden im Tierexperiment eine große Anzahl von Fortsätzen (Axone), die über Entfernungen von bis zu 50 mm nach kaudal auswachsen und dort Synapsen mit Nervenzellen des Empfängers bilden. Umgekehrt sprießen Wirtsaxone in die Transplantate ein und stellen Kontakte her, so dass eine teilweise Wiederherstellung der Funktion nach einer Rückenmarksverletzung beobachtet wird.
In einer im letzten Jahr in Experimental Neurology publizierten Studie aus den Laboratorien von Paul Lu und Mark Tuszynski in San Diego (USA) wurde die Hypothese untersucht, dass trophische Gradienten von Wachstumsfaktoren Stammzell-Axone in die motorischen Bereiche der grauen Substanz des Rückenmarks leiten können, um die Konnektivität zu verbessern. Die Autoren haben sich für brain derived neurotrophic factor (BDNF) entschieden, weil dieses Molekül während der Entwicklung eine entscheidende Rolle beim gerichteten Axonwachstum spielt und sein Rezeptor, trkB, von den Nervenzellen im Rückenmark hergestellt wird.
Die Wissenschaftler führten bei immundefizienten Ratten 14 Tage nach einer Teilläsion (Hemisektion) im C5-Segment des Rückenmarks eine Transplantation humaner Stammzellen durch. Einen Monat nach der Läsion wurden AAV2-Vektoren, die BDNF in voller Länge exprimieren, in drei Rückenmarkssegmente kaudal der Läsionsstelle injiziert. Drei Monate nach der Verletzung erhöhte die BDNF-Expression die Anzahl der vom Transplantat ausgehenden Axone, die in die mittlere und ventrale graue Substanz des Empfängers eindrangen, signifikant (um das 5,5-fache), ohne dass dabei die Axondichte im funktionell nicht passenden, dorsalen Rückenmark beeinflusst wurde. Interessanterweise wurde eine >20-fache Zunahme der Anzahl synaptischer Kontakte auf motorischen Neuronen festgestellt.
Damit konnte nachgewiesen werden, dass die BDNF-Applikation in Kombination mit einer neuralen Stammzell-Transplantation die Anzahl der Verbindungen zwischen Empfänger und Transplantat im Rahmen einer Querschnittsläsion verbessert. Allerdings ist nicht auszuschließen, dass eine trophische Stimulation schon bestehende Transplantat-Empfänger-Verbindungen stabilisiert bzw. die mit einer Verletzung assoziierte neuronale Degeneration reduziert hat. Weiterhin müsste in künftigen Studien auch festgestellt werden, ob dieser Ansatz die funktionellen Ergebnisse tatsächlich verbessert.
Referenz:
Li Y, Tran A, Graham L, Brock J, Tuszynski MH, Lu P (2023) BDNF guides neural stem cell-derived axons to ventral interneurons and motor neurons after spinal cord injury. Experimental Neurology 359:114259
Bildnachweis: iStock/K_E_N
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