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Welche Rolle spielt das Komplement-System bei der Alzheimer-Krankheit ?


Wie im Kapitel 2.4 meines Buches über Neurodegeneration beschrieben, ist bei Alzheimer-Patienten eine Aktivierung der hirneigenen Immunzellen, der Mikroglia, in Hirnregionen zu beobachten, die von der Krankheit besonders betroffen sind. Beispielsweise finden sich im entorhinalen Cortex des Temporallappens erhebliche Protein-Ablagerungen, die von aktivierter Mikroglia, aber auch von eingewanderten T-Lymphozyten und pro-inflammatorischen Zytokinen umgeben sind.

Letztlich führt eine solche 'sterile' Entzündungsreaktion zu einem beschleunigten Verlust von Synapsen und zum Absterben von Nervenzellen. Dabei spielt offenbar auch das Komplement-System eine wichtige Rolle. Dieses beinhaltet zahlreiche im Blut zirkulierende Vorstufen, die durch Pathogene oder Antikörper-Antigen-Komplexe aktiviert werden und dann eine Kaskade proteolytischer Reaktionen auslösen.


Mikrogliazellen produzieren das erste Komplementprotein, den sog. C1-Komplex, der aus C1q, C1r und C1s besteht. Er bindet an neuronale Plasmamembranen und führt zur Phagozytose, d.h. die betroffenen Synapsen werden abgeräumt. Erhöhte Konzentrationen von Komplement-Faktoren sind tatsächlich im Gehirn von Alzheimer-Patienten nachweisbar und Antikörper gegen Komplement schützen Synapsen vor ihrem Abbau.


Neben der Mikroglia können aber auch Astrozyten synaptische Kontakte entfernen, was besonders während der Entwicklung des Gehirns zu beobachten ist. Im Gegensatz zur Mikroglia scheinen Astrozyten jedoch unter physiologischen Bedingungen unabhängig von C1q zu arbeiten. In einer letztes Jahr in Nature Aging publizierten Studie weisen Dejanovic und Kollegen nach, dass ein Verlust von C1q in einem Tiermodell des Morbus Alzheimer neuroprotektiv wirkt.


In diesen sog. TauP301S-Mäusen spielen Astrozyten eine wichtige Rolle bei der Beseitigung von Synapsen. Zusätzlich ist aber auch die mikrogliale Phagozytose in der Nähe von Plaques in Abwesenheit des Alzheimer-Risikogens TREM2 beeinträchtigt. Dieses wird besonders in der Mikroglia exprimiert und nach seiner Entfernung in sog. Knockout-Mäusen kompensieren Astrozyten die mikrogliale Dysfunktion in der Nähe von Amyloid-Plaques.


Zusammengenommen zeigen die neuen Resultate, dass die Hemmung von Komplement eine sinnvolle Strategie zur Verhinderung der Neurodegeneration beim Morbus Alzheimer darstellen könnte. Da das Fehlen von C1q vor dem Hirnabbau schützt ohne die Gliose, also eine reaktive Astrozytenvermehrung, oder auch die Tau-Pathologie zu verhindern, ist anzunehmen, dass das Komplement-System erst nach Einsetzen der typischen Alzheimer-Pathologie aktiviert wird. Es befindet sich also am Ende einer langen Kette von Ereignissen, die letztlich zum neuronalen Zelltod führen.

Referenz:


Dejanovic B, Wu T, Tsai M-C, ..., Hanson JE (2022) Complement C1q-dependent excitatory and inhibitory synapse elimination by astrocytes and microglia in Alzheimer’s disease mouse models. Nature Aging 2:837


Bildnachweis: iStock/selvanegra


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