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Die neuronale Proteostase im Fokus einer neuen Parkinson-Therapie


Die Aufrechterhaltung der Protein-Homöostase ist eine Mammut-Aufgabe für Zellen. Aufgrund der elementaren Bedeutung der Transport- und Abbau-Vorgänge für die Aufrechterhaltung des zellulären Überlebens können geringfügige Störungen schon zu einer Einschränkung der Zellfunktionen bis hin zum Zelltod führen. In genetischen Screens, die krankmachende (z.B. mutierte) DNA-Sequenzen aufspüren sollen, tauchen solche Gene besonders häufig auf, die an der Proteinbiosynthese, an ihrer Faltung, am intrazellulären Eiweiß-Transport oder an ihrem Abbau beteiligt sind. Beispielsweise sind eine Reihe von lysosomalen Speicherkrankheiten durch eine ausgeprägte Neurodegeneration gekennzeichnet, und umgekehrt zeigen neurodegenerative Erkrankungen regelmäßig lysosomale Dysfunktionen. Diese Beobachtungen unterstreichen die Bedeutung der Protein-Homöostase für das neuronale Überleben im Alter und bei Krankheiten.


Falsch konfigurierte Eiweiße werden vom Neuron ausgeschieden oder über das endoplasmatische Retikulum (ER) erkannt und im Proteasom abgebaut. Hierfür sind spezielle ER-Proteine nötig, beispielsweise das Membralin (vom TMEM259-Gen kodiert). Diese Enzyme werden im ERAD-Komplex, eine Abkürzung für ER-assoziierte Degradation, zusammengefasst. Wenn in alternden, postmitotischen Zellen das ER durch Akkumulation falsch gefalteter Proteine überlastet ist, kommt es zur unfolded protein response (UPR). Mit dieser Reaktion versucht die Zelle, den normalen Status des ER wieder herzustellen. Bleibt die Überlastung des ER im Rahmen des sog. ER-Stress aber über eine längere Zeit bestehen, beispielsweise durch eine Aggregation von α-Synuklein in Nervenzellen, lösen in der Membran des ER sitzende Proteine spezifische Signalkaskaden aus, die die Protein-Synthese an den Ribosomen abschalten und zu DNA-Strangbrüchen im Zellkern führen. Diese Veränderungen führen in Neuronen zum Verlust von Markscheiden, zur Fragmentierung von Axonen und letztlich zur Apoptose (dem Zelltod).


Eine Zelle nimmt diverse Stoffe (gelb) von außen per Endozytose (nach Einstülpung der Plasmamembran) auf, um sie in Vesikel (Endosomen) zu verpacken und innerhalb der Zelle zu verteilen. Weiterhin werden Eiweiß-Aggregate (grün), aber auch ganze Organellen (wie z.B. Mitochondrien, pink) bei Bedarf von intrazellulären Membranen umschlossen (was Autophagie bzw. Mitophagie genannt wird). Autophagosomen fusionieren mit den Lysosomen, die diverse Hydrolasen beinhalten, die ihren Inhalt abbauen. Dadurch werden einzelne Aminosäuren, Glukose oder Lipide dem zellulären Stoffwechsel wieder zur Verfügung gestellt (die allermeisten zytoplasmatischen Eiweiße werden aber im Proteasom abgebaut). Außerdem werden von der endosomalen Membran Vesikel nach innen abgelöst. Auf diese Art bilden sich multi-vesikuläre Körperchen (MVBs, multi-vesicular bodies). Diverse Proteine und Nukleinsäuren werden auch per Exozytose direkt in den extrazellulären Raum hinein abgegeben oder in Form kleiner Vesikel (Exosomen) ausgeschleust (die Doppel-Lipid-Membranen der Zellhülle und der verschiedenen Organellen sind nicht maßstabsgerecht gezeichnet; ER = endoplasmatisches Retikulum; modifizerte Abb. 2.3 aus Klimaschewski L.P. , Parkinson und Alzheimer heute. Springer, 2021).


Ein Beispiel für eine lysosomale Hydrolase, die bei lysosomalen Speicherkrankheiten (Gaucher-Syndrom) mutiert ist und damit eine verringerte Aktivität aufweist, ist die β-Glukozerebrosidase (GCase). Es kommt dabei zu einem lysosomalen Anstieg von Lipiden. Varianten des GCase kodierenden Gens, GBA1, werden auch bei Parkinson-Patienten immer wieder gefunden. Der genetische Funktionsverlust von GBA1 ist einer der wichtigsten Risikofaktoren, die diese neurodegenerative Krankheit (oder auch eine Demenz mit Lewy-Körperchen) auslösen können.


Der Morbus Parkinson geht mit einer Zunahme und Vernetzung (Oligomerisierung) von dem durch das SNCA-Gen kodierten α-Synuklein einher, was normalerweise die oben genannte UPR auslöst. In einer gerade publizierten Arbeit im Premium-Journal der Neurowissenschaften (Neuron) wurden aus induzierten Stammzellen gewonnene dopaminerge Neurone von Parkinson-Patienten untersucht (mit einer dreifachen Menge des SNCA-Gens). In diesen Zellen wurde überraschenderweise keine UPR gefunden, aber das ER löste sich teilweise auf und GCase und andere Proteine wurden nicht mehr korrekt gefaltet und aggregierten. Die hohen Synuklein-Mengen scheinen dabei mit den für die Proteinfaltung notwendigen Chaperonen zu interagieren und sie in ihrer Funktion zu hemmen. Daneben wird auch der Protein-Transport am Golgi-Apparat gestört.



Besonders vielversprechend sind die in dieser Studie durchgeführten Rettungs-Experimente. Ein Blocker der Ryanodin-Rezeptoren (RyRs), der die Freisetzung von Kalzium aus dem ER hemmt (Diltiazem, ein zugelassenes Blutdruckmedikament), verhinderte nämlich die Bildung unlöslicher GCase und führte zu einer verbesserten Reifung dieses Enzyms im ER. Eine genetische Ausschaltung der RyRs (mittels spezifischer shRNAs) zeigte ähnliche Effekte. Darüber hinaus verbesserten Farnesyltransferase-Hemmer (FTIs) die lysosomale GCase-Aktivität. Diltiazem und FTIs wirkten zusammen synergistisch, d.h. ihre gemeinsame Wirkung ging über die Summation der Einzelwirkungen hinaus, so dass hier ein neuer therapeutischer Ansatz zur Behandlung der Parkinson-Krankheit gefunden wurde (obwohl Diltiazem selbst ein Parkinson-Syndrom auslösen kann).


Referenzen:


Stojkovska I, Wani WY, Zunke F, ..., Mazzulli JR (2022) Rescue of α-synuclein aggregation in Parkinson’s patient neurons by synergistic enhancement of ER proteostasis and protein trafficking. Neuron 110:436-451


Udayar V, Chen Y, Sidransky E, Jagasia R (2022) Lysosomal dysfunction in neurodegeneration: emerging concepts and methods. Trends in Neurosciences 45:184-199


Bild oben: istock/Roman Didkivskyi

Bild unten: iStock/Artur Plawgo

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