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Ein neues Tiermodell der Parkinson-Krankheit

Das MCI-Park-Modell der Arbeitsgruppe um Professor Surmeier unterstreicht die Bedeutung der Mitochondrien und der lokalen Dopamin-Freisetzung bei der Entstehung der motorischen Defizite.


Ein nach vorn übergebeugter Parkinson-Patient mit Maskengesicht und angedeutetem Zittern (iStock.com/LCOSMO).


Über 20 verschiedene Gene können in ihrer mutierten Form die Parkinson-Krankheit auslösen, einige davon kodieren Proteine, die wichtig sind für den Auf- und Abbau von Mitochondrien. Wie in meinem neuen Buch über Neurodegeneration im Kapitel 2.1.2 ausführlich beschrieben, stellen Mitochondrien die zellulären Kraftwerke dar, die mittels der sog. oxidativen Phosphorylierung unseren wichtigsten Energieträger herstellen, das Adenosintriphosphat (ATP).


Störungen in der Energieversorgung von Zellen führen zu vorgezogener Alterung (Seneszenz) bis hin zum Zelltod. Der Umsatz von Mitochondrien ist offenbar von entscheidender Bedeutung bei der Entwicklung der Parkinson-Symptome, da hier insbesondere die metabolisch und bioenergetisch hoch belasteten Nervenzellen im Hirnstamm betroffen sind. Es finden sich aber nicht nur beim genetisch bedingten, sondern auch beim sporadischen Morbus Parkinson Störungen mitochondrialer Aktivitäten.


Mitochondrien vermehren sich durch Wachstum und Teilung und unterliegen einer Qualitätskontrolle. Ihre Menge und Größe wird dem Energiebedarf der Zelle ständig angepasst. An den mitochondrialen Membranen befinden sich die für die Zellatmung notwendigen Elektronenketten. Ein Schlüsselenzym der mitochondrialen Atmungskette ist die NADH-Dehydrogenase (Komplex I oder MCI genannt).


Zusammenfassende Darstellung der Gefahren, denen dopaminerge Neurone in der Substantia nigra mitsamt ihren im Zielgebiet, dem Striatum, stark verzweigten Axonen ausgesetzt sind. Die automatische Depolarisation (1) führt zu erhöhtem Kalzium-Einstrom in die Zelle, der Caspasen aktiviert und Mitochondrien schädigen kann (2). Freie Radikale, die in Mitochondrien und durch membranständige Enzyme gebildet werden (3), führen zu oxidativem Stress und sind damit potentiell toxisch. Zumeist genetisch bedingte Defekte in der Mito- und Autophagie (4) sowie im endo-lysosomalen System (5) stören die Protein-Homöostase und resultieren in einer axonalen Degeneration und letztlich im neuronalen Zelltod (Abb. 2.10 aus Klimaschewski L.P., Altern und neurodegenerative Erkrankungen – warum gehen Nervenzellen verloren? In: Parkinson und Alzheimer heute. Springer, 2021)


In einer aktuellen Arbeit aus der Arbeitsgruppe von James Surmeier aus Chicago (Northwestern University) wurde in Mäusen eine katalytische Untereinheit des Komplex I spezifisch in dopaminergen Neuronen ausgeschaltet. Diese Untereinheit wird vom NDUFS2-Gen kodiert. Die von Patricia Gonzalez-Rodriguez und Kollegen verwendeten Tiere stellen das erste Tiermodell der Krankheit dar, in dem der Komplex I effektiv ausgeschaltet worden ist. Die Tiere überleben, da eben nur eine Teilpopulation von Nervenzellen im Hirnstamm betroffen ist, nämlich solche, die den Dopamin-Transporter bilden.


Die motorischen Defizite bei der Parkinson-Krankheit werden auf den Ausfall dopaminerger Neurone in der Substantia nigra des Mittelhirns zurückgeführt. In den NDUFS2-defizienten Mäusen findet sich genau hier eine neuronale Degeneration. Da es aber Menschen mit Mutationen im NDUFS2-Gen gibt, die keinen Morbus Parkinson entwickeln, sondern andere neurologische Syndrome, gehen wir davon aus, dass noch eine andere Eigenschaft hinzukommen muss, um die Krankheit auszulösen, z.B. Störungen in der Protein-Homöostase.


Der neuropathologisch interessanteste Aspekt des neuen MCI-Park-Modells ist, dass eine verminderte Freisetzung von Dopamin aus Axonen, die im Zielgebiet der Substantia nigra-Neurone in den Basalganglien (Striatum) endigen, nicht ausreicht, um die Parkinson-typischen Störungen in der Beweglichkeit der Tiere auszulösen. Es muss auch die lokale Freisetzung von Dopamin aus den Dendriten innerhalb der Substantia nigra betroffen sein (s. Abbildung unten). Im Rahmen therapeutischer Strategien scheint es daher nicht ausreichend zu sein, die Dopamin-Spiegel allein im Endhirn normalisieren zu wollen.


Zusammenfassend gibt es aufgrund der im MCI-Park-Modell gewonnene Daten jetzt sehr deutliche Hinweise auf eine Beteiligung der NADH-Dehydrogenase (MCI bzw. Komplex I) bei der Entstehung der Parkinson-Krankheit. Die im Verlauf der mitochondrialen Störungen reduzierte Freisetzung von Dopamin in beiden Gruppen von neuronalen Fortsätzen, Dendriten und Axonen, führt dann zu den bekannten motorischen Defiziten.



Referenzen:


González-Rodríguez P, Zampese E, Stout KA, Guzman JN, Ilijic E, Yang B, Tkatch T, Stavarache MA, Wokosin DL, Gao L, Kaplitt MG, López-Barneo J, Schumacker PT, Surmeier DJ (2021) Disruption of mitochondrial complex I induces progressive parkinsonism. Nature 599:650-656


Surmeier DJ, Obeso JA, Halliday GM (2017) Selective neuronal vulnerability in Parkinson disease. Nature Reviews Neuroscience 18:101-113

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