
Seit einiger Zeit werden KI-Programme darauf trainiert, Krankheiten anhand von Bildern des Augenhintergrunds zu erkennen. Das Besondere am neuen Werkzeug (RETFound), das im Labor von Pearse Keane in London entwickelt wurde, ist nun, dass nicht jedes der 1,6 Millionen für das Training verwendeten Retinabilder von einem Menschen als 'normal' oder 'abnormal' gekennzeichnet werden musste. Solche Prozesse sind zeitaufwendig, werden jedoch bei der Entwicklung von Standard-Maschinenlernmodellen in der Regel benötigt.
In ihrer in Nature veröffentlichten Arbeit verwendeten die Autoren eine Methode, die auch zur Schulung großer Sprachmodelle wie ChatGPT eingesetzt wird. Für ChatGPT werden unzählige Beispiele von menschlich generierten Texten verwendet, um das nächste Wort in einem Satz, basierend auf dem Kontext der bisherigen Wörter, vorherzusagen. Ähnlich verwendet RETFound Retinabilder, um zu lernen, wie fehlende Abschnitte der Retina aussehen könnten. Nach der Überprüfung von Millionen von Bildern lernt das Modell dann, wie die Retina an jedem Ort aussehen sollte.
Die Retina, die leicht mit einem Ophthalmoskop beobachtet werden kann, bietet somit ein Fenster zu unserer Gesundheit, da sie der einzige Teil des menschlichen Körpers ist, in dem ein Kapillarnetzwerk aus den kleinsten Blutgefäßen direkt beobachtet werden kann. Dies ist besonders nützlich bei der Diagnose von Krankheiten wie Bluthochdruck oder Diabetes. Darüber hinaus kann die Retina auch als eine Erweiterung des zentralen Nervensystems (des Zwischenhirns) betrachtet werden, was bedeutet, dass Retinabilder wohl auch zur Diagnose neurologischer Krankheiten verwendet werden können.
Nachdem Keane und Kollegen RETFound an etwa 1,6 Millionen unbeschrifteten Retinabildern vortrainiert hatten, wurden 100 Bilder von Personen, die Parkinson entwickelt hatten, und 100 Aufnahmen von Kontrollpersonen in die Software eingegeben, die dann schnell die mit Parkinson möglicherweise assoziierten Retinamerkmale erlernen konnte. Somit waren nur 100 menschliche Interaktionen notwendig, um eine korrekte Parkinson-Diagnose anhand von Retinabildern, die von der Maschine gelesen wurden, zu stellen.
Das System hat sich als sehr effektiv bei der Erkennung von Augenkrankheiten wie diabetischer Retinopathie erwiesen. Auf einer Skala, auf der 0,5 ein Modell darstellt, das nicht besser als eine zufällige Vorhersage abschneidet, und 1 ein perfektes Modell ist, das jedes Mal eine genaue Vorhersage macht, erreicht es Werte zwischen 0,82 und 0,94. Obwohl die Gesamtleistung bei der Vorhersage des Risikos für systemische Krankheiten wie Herzinfarkte, Schlaganfälle oder Parkinson noch begrenzt ist, ist sie deutlich besser als bei früheren KI-Modellen. Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang eine mögliche Anwendung von RETFound auf Magnetresonanzbilder oder CT-Scans.
Es scheint daher sicher, dass KI in Zukunft eine zentrale Rolle bei der Frühdiagnose neurodegenerativer Krankheiten spielen wird.
Referenzen:
Zhou Y, Chia MA, Wagner SK, ..., Keane PA (2023) A foundation model for generalizable disease detection from retinal images. Nature 622:156
Lenharo M (2023) AI detects eye disease and risk of Parkinson’s from retinal images. Nature News, doi.org/10.1038/d41586-023-02881-2
Bildnachweis: iStock/James Ebanks
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