Wie in meinem Buch über Nervenregeneration beschrieben, ist die Wiederherstellung von motorischen und sensiblen Funktionen nach einer Nervenläsion bei vielen Patienten unbefriedigend, obwohl periphere Nerven nach einer Verletzung prinzipiell regenerieren können.
Die periphere Glia (sog. Schwann-Zellen) werden insbesondere im distalen (abgetrennten) Nervenstumpf aktiviert und beteiligen sich neben Makrophagen und Fibroblasten an der Beseitigung von Axonen und deren Markscheide, dem Myelin. Daraufhin regenerieren Axone vom proximalen Ende der Verletzung bis zum distalen Ende und innervieren die Zielorgane.
Während dieses Prozesses bieten die reaktiven Schwann-Zellen eine wesentliche Grundlage für das Überleben der betroffenen Nervenzellen und für die axonale Regeneration. Wachsen jedoch über einen längeren Zeitraum keine Axone distal der Verletzungsstelle in den distalen Nervenstumpf ein, verlieren die Schwann-Zellen ihre Fähigkeit zur Reparatur und wechseln in einen inaktiven Zustand zurück, was bei den oft weiten Entfernungen zwischen Läsionsstelle und zu versorgendem Zielgewebe beim Menschen nicht selten vorkommt. Daher ist die Aufrechterhaltung des Reparaturphänotyps von Schwann-Zellen während der chronischen Phase der Nervenregeneration zu einer therapeutischen Notwendigkeit geworden.
Für die Aufrechterhaltung der neurotrophen Eigenschaften von Schwann-Zellen spielt c-Jun, eine Komponente des Transkriptionsfaktors Aktivatorprotein-1, eine wichtige Rolle (allerdings wirkt c-Jun auch als negativer Regulator der Myelinisierung und muss daher vor Beginn der Bemarkung, der Remyelinisierung regenerierter Axone, wieder abgeschaltet werden). Frühere Studien haben gezeigt, dass c-Jun in Schwann-Zellen hauptsächlich durch die p38 mitogen-aktivierte Proteinkinase (p38 MAPK), die extrazelluläre signalregulierte Kinase (ERK) und die Jun N-terminale Kinase (JNK) hochreguliert wird. Der neurotrophe Faktor NT-3 aktiviert diese Signalwege und kann durch die systemische Zirkulation vom Muskel zu den ihn versorgenden Axonen und Neuronen transportiert werden. Eine Therapie mit rekombinantem (gentechnisch hergestelltem) NT-3 wurde in klinischen Studien der Phasen I und II schon getestet und erwies sich als sicher und gut verträglich.
In einer im Journal of Translational Medicine in 2023 publizierten Arbeit fanden Xiong Xu und Kollegen nun heraus, dass c-Jun bis zu 5 Wochen nach der Denervierung in den distalen Nervenstümpfen auf einem hohen Niveau exprimiert wird und danach nur noch reduziert nachweisebar ist. NT-3 hielt die hohe Expression von c-Jun aufrecht, wenn es in der 5. Woche verabreicht wurde, was die Regeneration von Axonen auch nach 10-wöchiger Denervierung noch signifikant förderte (umgekehrt beeinträchtigte eine Reduktion von c-Jun die wachstumsfördernde Wirkung von NT-3). Weitere Untersuchungen ergaben, dass die Verabreichung von NT-3 insbeosndere den ERK-Signalweg aktiviert, der die hohe Expression von c-Jun in Schwann-Zellen vermittelt.
Zusammenfassend wurde in dieser Studie der TrkC/ERK-Signalweg als wichtiger molekularer Mechanismus für die Hochregulierung von c-Jun durch NT-3 identifiziert, der daher ein potenzielles therapeutisches Ziel für die klinische Behandlung von peripheren Nervenschäden nach chronischer Denervierung darstellt. Weiterhin kommen Fingolimod, ein Agonist am Sphingosin-1-Phosphat-Rezeptor, Interleukin-1ß oder der Fibroblastenwachstumsfaktor (FGF) 21 in Frage, da sie in Tierversuchen ebenfalls zu einer Induktion von c-Jun in Schwann-Zellen geführt haben.
Referenz:
Xu X, Song L, Li Y, Guo J, Huang S, Du S, Li W, Cao R, Cui S (2023) Neurotrophin-3 promotes peripheral nerve regeneration by maintaining a repair state of Schwann cells after chronic denervation via the TrkC/ERK/c-Jun pathway. Journal of Translational Medicine 21:733
Bildnachweis: iStock/Aldona
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