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Verhindert Viagra über eine Erweiterung von Blutgefäßen im Gehirn das Auftreten einer Demenz ?

Eine neue Studie macht Hoffnung auf Vorbeugung der Alzheimer-Krankheit durch das Potenzmittel Sildenafil.

Die Rolle der Blutversorgung bei Alterungsvorgängen im Gehirn und bei neuronaler Degeneration wurde bisher oft unterschätzt. Wir wissen heute, dass Durchblutungsstörungen signifikant mit der Ausbildung von Gedächtnisstörungen korrelieren und diese möglicherweise bedingen. Ein mildes kognitives Defizit wird am häufigsten durch mangelnde Durchblutung des Hirngewebes hervorgerufen.


Wie in meinem Buch 'Parkinson und Alzheimer heute' beschrieben, wird die Blutversorgung der über 80 Milliarden Nervenzellen im Gehirn über ein 650 km langes Netz von Blutgefäßen sichergestellt. Es überrascht nicht, dass das Kapillarsystem des Zentralnervensystems sehr ausgeprägt ist, da hier ein Fünftel der von uns mit der Nahrung aufgenommenen Energie verbraucht wird.


Die als arteriosklerotisch bezeichneten Veränderungen im Bereich der Gefäßwände führen zu einer verminderten Durchblutung und sind oft schon lange vor den kognitiven Störungen bei Alzheimer-Patienten nachweisbar. Die Blutgefäße im Hirngewebe werden normalerweise durch einen aus Synapsen freigesetzten, gasförmigen Neuromodulator erweitert. Dabei handelt es sich um Stickstoffmonoxid (NO), das durch die neuronale NO-Synthase (nNOS) hergestellt wird. Es diffundiert rasch in die um die Kapillaren herum liegenden Perizyten, die dadurch erschlaffen und eine Erweiterung der Kapillare und damit eine bessere Blutversorgung ermöglichen (wie in der folgenden Abbildung gezeigt).


Neurone und Gliazellen (insbesondere Astrozyten) haben einen engen Kontakt zu Blutgefäßen und bilden zusammen die sogenannte neurovaskuläre Einheit. Astrozytenfortsätze liegen dicht an dicht um die kleinen Blutgefäße und Kapillaren herum, dazwischen fließt das Nervenwasser, der Liquor (die Fortsätze sind hier der Übersicht halber nur angedeutet). Der durch Astrozyten abgegrenzte perivaskuläre Bereich wird auch glymphatischer Raum genannt (in Anlehnung an die Glia und die Lymphe im Körper; im Gehirn gibt es aber keine Lymphe). Es findet also ein reger Stoffaustausch zwischen Astrozyten und Neuronen unter Beteiligung der Blutgefäße statt. Die den Monozyten im Blut vergleichbare Mikroglia setzt im Alter und unter krankhaften Bedingungen vermehrt Entzündungsmediatoren (Zytokine) frei, die beim Alzheimer auch eine wichtige Rolle spielen. Außerdem sind die auf der Gefäßwand sitzenden Perizyten von Bedeutung, da in ihnen das aus den synaptischen Kontakten freigesetzte Stickstoffmonoxid-Radikal (NO-) wirksam wird. NO führt zur Erweiterung der Gefäße insbesondere im Bereich aktivierter Nervenzellen (Abb. 2.4 aus Klimaschewski L.P. Altern und neurodegenerative Erkrankungen – warum gehen Nervenzellen verloren? In: Parkinson und Alzheimer heute. Springer, 2021)


Ein Team um Jiansong Fang vom Lerner Research Institute der Cleveland Clinic in Ohio (USA) hat nun eine Studie publiziert, in der 1.600 bereits zugelassene Arzneimittel darauf hin getestet wurden, ob sie gegen die Alzheimer-Demenz wirken. Unter Berücksichtigung von Alter, Geschlecht, und sog. Ko-Morbiditäten (anderen Erkrankungen wie Bluthochdruck, Diabetes oder Arteriosklerose) machten sie eine überraschende Entdeckung: Der Viagra-Wirkstoff Sildenafil, der zur Behebung von Lungenhochdruck und Potenzstörungen eingenommen wird, senkt das Risiko für eine Alzheimer-Demenz um etwa 70 Prozent. Dabei wurden die Gesundheitsdaten von sieben Millionen Menschen zugrunde gelegt.


Im Fachmagazin „Nature Aging“ berichten die Forscher weiterhin, dass Sildenafil das Fortsatzwachstum von Nervenzellen, die aus Stammzellen von Alzheimer-Patienten gewonnen wurden, auch direkt fördern kann. Außerdem wird die Menge des Krankheits-assoziierten Tau-Proteins, besonders in seiner phosphorylierten Form, reduziert. Die Daten müssen in einer prospektiven Folgestudie noch bestätigt werden, lassen jedoch vermuten, dass die Hemmung der Phosphodiesterase-5 (PDE-5) durch Viagra nicht nur die Blutgefäße erweitert, sondern auch protektive Effekte direkt auf degenerierende Nervenzellen hat. Eine klinische (Phase-II)-Studie mit Alzheimer-Patienten ist derzeit in Planung, um die Kausalität und klinische Wirkung von Sildenafil zu bestätigen.


Referenz:


Fang J, Zhang P, Zhou Y, Chiang C-W, Tan J, Hou Y, Stauffer S, Li L, Pieper AA, Cummings J, Cheng F (2021) Endophenotype-based in silico network medicine discovery combined with insurance record data mining identifies sildenafil as a candidate drug for Alzheimer’s disease. Nature Aging 1:1175-1188

Eine Kapillare im Gehirn mit den typischen Gliafortsätzen der Astrozyten (iStock_Dr_Microbe).

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